Dienstag, 29. Januar 2013

Kai-Uwe in Amerika - Teil 2

2. Akt

Gut Ding will Weile haben


Ich wache auf. Unter mir rauscht das Meer. Rhythmisch klatschen die Wellen gegen den Bug des Bootes. Nach meinen diversen Abenteuern in ganz Europa treibe ich nun also in dieser Nussschale in Richtung Amerika. Ich denke zurück an die vergangenen zwei Jahre und kann gar nicht glauben, wie lange ich mich jetzt schon herumtreibe. Als ich in Portugal erfahren hatte, dass Schiffe nach Amerika nur von England aus fahren, habe ich meine Hautcremes gesattelt und mich nach Southampton aufgemacht.


Das war irgendwann im Dezember 2011. Völlig durchgefroren kam ich am Hafen in Southampton an. Schiffe so weit das Auge reicht. Kleine, große, alte, neue… Doch ein Schiff hatte es mir besonders angetan. Dichte Rauchschwaden stiegen aus dem Schornstein und brachten meine Augen zum Tränen. Schnell träufelte ich mir etwas Blaubeertropfen aus meinem Koffer in die Augen, um den Schmerz zu lindern und das Schiff näher zu betrachten.


Eigentlich war es weniger ein Schiff. Der rostige, unförmige Metallklumpen, dessen Konturen sich nun langsam in meinen geplagten Augen abzeichneten, glich vielmehr einem Schwan. Oder war es doch ein Delfin? Ich fühlte mich wie beim Bleigießen. Und dieses Teil kann schwimmen? Frage ich mich. Gebannt vom Anblick des Schiffes schlich ich mich still und heimlich an Bord, als mir einfiel, dass ja vermutlich nicht alle Schiffe direkt nach Amerika fahren. Und tatsächlich: auf einem kleinen, rostigen Blechschild stand es geschrieben: „Verlassen Sie sofort das Schiff! Wir fahren NICHT nach Amerika“. Da hatten sich 13 Jahre Schule wohl einmal mehr gelohnt – Lesen konnte ich immerhin. Schnell verließ ich das Schiff und sucht weiter nach einer Mitfahrgelegenheit nach Amerika.


Irgendwann habe ich dann tatsächlich auch noch ein Schiff gefunden, bin hochoffiziell mit an Bord genommen worden und als Küchenhilfe genau elf Tage mit an Bord gewesen.


An besagtem elften Tag habe ich mich leider mit dem Küchenchef zerstritten – er wollte partout keinen Rooibostee zu den Mahlzeiten servieren. Als ich deshalb heimlich den Grog der Matrosen mit wohltuendem Tee ersetzt hatte war zwar ihre Gesundheit – insbesondere die gemeine geschundene Matrosenleber -, nicht jedoch ihre Seele von meiner Tat erquicket. Man packte mich kurzerhand bei den Füßen und schleuderte mich über Bord.


Ein letzter Funken Anstand musste dennoch in ihnen verblieben sein. So warfen sie wenigstens den Koffer hinter mir her. Erleichtert über die Rettung meiner Hautcremes klammerte ich mich an ihm fest und fiel in einen tiefen Schlaf.


Als ich erwachte befand ich mich auf einer kleinen, einsamen Insel.


Dort saß ich dann eine Weile fest. Es ist zwar nichts weiter passiert, der Aufenthalt war aber trotzdem angenehm und erholsam. Ich konnte mich sogar im Sommer dank meiner Sonnenschutzcreme mit Lichtschutzfaktor 40 einige Minuten an den Strand legen.


Vorgestern hat mir dann das Schicksal ein kleines, verwittertes Ruderboot auf die Insel geschwemmt. Also habe ich meinen Koffer, sowie genügend Kokosnüsse und Wasser für die nächste Zeit in das Boot gepackt und bin wieder losgefahren.


Und hier sitze ich jetzt.


Um mich gegen die Kälte zu schützen trage ich einen Jutebeutel auf dem Kopf. Ein Sackmesser habe ich immer noch nicht.


Es ist Januar 2013